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Die neue Außenhandelstheorie und die New Economic Geography

Die neue Außenhandelstheorie entstand in den achtziger Jahren und schloß Lücken der klassischen Handelstheorie. Entgegen der klassischen Handelstheorie, die bei einer Reduktion von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen eine räumliche Spezialisierung der Produktion aufgrund der komparativen Kostenvorteile durch unterschiedliche Faktorausstattung erwartet, die allen am Handel beteiligten Nutzen bringt, besagt die Neue Handelstheorie, daß unter Umständen dieser Nutzen nicht für alle gleich ist, d. h. daß es Gewinner und Verlierer geben kann (PETSCHOW, HÜBNER, DRÖGE, MEYERHOFF, 1998, S. 171). Außerdem konnte der steigende Anteil des intra-industriellen Handels durch die älteren Handelstheorien nicht erklärt werden. Die neue Außenhandelstheorie geht deshalb nicht von vollkommenen Märkten und konstanten Skalenerträgen, sondern von unvollkommenen Märkten und steigenden Skalenerträgen aus und räumt der technologischen Entwicklung einen großen Einfluß ein. Steigende Skalenerträge führen zu einer Spezialisierung von Ländern oder Regionen, auch wenn keine Unterschiede in der Ressourcen- oder Technologieausstattung vorliegen, da sie den Ländern bzw. Regionen Kostenersparnisse und damit einen Wettbewerbsvorteil bringen. Sie entstehen ,,intern`` durch die Größe eines Unternehmens oder ,,extern`` durch die Größe einer Branche oder Industrieagglomeration. In letzterem Fall können positive Externalitäten zu weiteren Kostensenkungen und Effizienzgewinnen beitragen. Zu den positiven Externalitäten, die erstmals von MARSHALL 1920 in die Diskussion eingebracht wurden, zählen die Faktoren Labour Market Pooling (Arbeitskräftepool, Intermediate Inputs [Vorprodukte] und technologische spillovers) (OSMANOVIC, 2000, S. 245f.). Ein Beispiel für eine solche Agglomeration, die durch Externalitäten entstanden ist, ist der High Technology Cluster Silicon Valley (KRUGMAN, 1991, S. 47). Nach KRUGMAN bestimmen diese Externalitäten sehr stark den Standort von Industrien und somit die industrielle Entwicklung einer Nation, die sich durch das Vorhandensein einer umfangreichen, vernetzten Industrie Wettbewerbs- und folglich Wohlstandsvorteile zu Lasten eines Landes mit einer kleineren Industrie sichern kann (OSMANOVIC, 2000, S. 247).

Die New Economic Geography, die hauptsächlich vom MIT-Ökonomen Paul KRUGMAN vertreten wird, baut auf der neuen Handelstheorie auf. Das Neue an diesem Modell ist, daß erstmals Größen wie Entfernung und Transportkosten eine tragende Rolle spielen (SCHMUTZLER, 1999. S. 355). die New Economic Geography basiert auf der Grundannahme, daß Handelsliberalisierung verbunden mit einer Reduzierung der Transportkosten das räumliche Verteilungsmuster von Industrie- und Dienstleistungsstandorten verändert. Erwarten werden zwei Typen von Raumentwicklung. Der erste Typ beschreibt eine Dezentralisierungstendenz. Handelsliberalisierungen verringern die zentripetalen Kräfte einer Agglomeration und führen zu deren Bedeutungsrückgang auf nationaler Ebene, da der Auslandsmarkt im Vergleich zu dem Markt, den die Agglomeration bildet, an Bedeutung gewinnt. Periphere Regionen erhalten eine neue Entwicklungschance, da dort für Industriebetriebe aufgrund hoher Preise in den Zentren für Boden, Arbeit und Verkehr die Produktion kostengünstiger ist und sie so im Wettbewerb auf dem Auslandsmarkt leichter bestehen können (OSMANOVIC, 1999, S. 248). Der zweite Typ geht von niedrigen Transportkosten aus und erwartet eine Zunahme der räumlichen Konzentration aufgrund steigender Skalenerträge und der oben beschriebenen Externalitäten. In KRUGMANS Zwei-Regionen-Modell ist die idealisierte Kern-Rand-Beziehung von den Transportkosten abhängig. Bei leicht sinkenden Transportkosten wird zwischen den beiden Regionen Handel aufgenommen. Fallen die Transportkosten weiter, so bildet sich ein industrielles Zentrum und eine agrarische Peripherie. Sobald die Transportkosten gegen Null streben, kommt es zu Ausgleichstendenzen des Wohlstandsniveaus zwischen beiden Regionen (KRUGMAN, 1995, S. 7f.). Auf die reale Welt übertragen bedeutet dies, daß die Entwicklungsländer bei sinkenden Transportkosten trotz Handelsliberalisierungen nicht unbedingt profitieren müssen, wenn sie keine Skalenerträge und Externalitäten aufweisen können, wehalb nach KRUGMAN protektionistische Maßnahmen dieser Länder durchaus Sinn ergeben würden (SCHMUTZLER, 1999, S. 356ff.; OSMANOVIC, 2000, S. 247f.).

Kritiker werfen KRUGMAN vor, daß er ,,new wine in old bottles`` (SCHMUTZLER, 1999, S. 358) verkaufe, daß seine Schlußfolgerungen seit Jahrzehnten in den Regionalwissenschaften bekannt sind und er es lediglich verstehe, mit seinem Modell die wissenschaftliche Öffentlichkeit zu erreichen. Zudem sei sein Ansatz trotz einiger Beispiele, die KRUGMAN anführt, noch nicht empirisch belegt (OSMANOVIC, 2000, S. 249). Dennoch ist es KRUGMAN zu verdanken, daß der Größe ,,Raum`` und somit der Geographie in der Ökonomie wieder verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt wird.


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Thomas Korber 2001-09-06